Mein Weg in die Abstinenz

Ich weiß, wovon ich in meinem Coachings rede - weil ich den Weg selbst gegangen bin. In diesem Beitrag berichte ich von meinem persönlichen Weg in die Abstinenz.
Jenny Guttmann - Soberqueen Coaching - Alkohol Abstinenz

Ich wusste, dass ich aufhören muss zu trinken. Das wusste ich schon lange. Ich habe viele Jahre als Sozialpädagogin in verschiedenen Bereichen der Suchthilfe gearbeitet und wusste ganz genau, was mit mir los war. Dass ich Alkoholmissbrauch betreibe und in eine psychische Abhängigkeit gerutscht war.

Ich habe mich viel mit dem Thema beschäftigt. Bei der Arbeit sowieso, aber auch privat. Ich habe Bücher und Erfahrungsberichte von Frauen gelesen, die ähnliches erlebt haben und nun nüchtern waren. Diese Frauen haben mich total inspiriert und insgeheim bewunderte ich sie. Ich hatte in den Jahren zuvor schon oft probiert, meinen Alkoholkonsum zu regulieren. Habe mir Trinkregeln aufgestellt, die dann vielleicht mal kurz, aber nie auf Dauer funktioniert haben. Zum Beispiel: Ich trinke nach jedem Bier etwas Alkoholfreies, ich trinke nur 3 Bier am Abend oder ich trinke nur einmal pro Woche Alkohol. Letztendlich hat alles nicht geklappt.

Dieser Kontrollverlust ist ein Warnzeichen für eine Abhängigkeit. Mir war klar, dass ich ganz aufhören muss. Aber das hat mir mega Angst gemacht. Ohne Alkohol? Dann habe ich doch keinen Spaß mehr, wie soll ich denn auf Konzerte oder Partys gehen und wie soll ich mich am Wochenende abends entspannen? Es war unvorstellbar für mich. Ich habe krampfhaft am Alkohol festgehalten. Bis zu einer sehr schlimmen toxischen Beziehung. Bis zu diesem furchtbaren Tiefpunkt. Ich wollte nichts mehr, als davon loskommen. Und ich wollte endlich nüchtern leben. Mir wurde klar, dass ich beides lassen muss, um mich von beidem lösen zu können. Denn solange ich trank, würde ich den Typen nachts betrunken wieder anschreiben oder mich auf seine Kontaktversuche einlassen. Und solange ich mit ihm Kontakt hätte, würde ich trinken, da in unserer Beziehung Alkohol eine große Rolle spielte. Also ließ ich beides los. Mal wieder, dachte ich. Ich habe mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr vertraut. Zu oft hatte ich schon versucht, etwas zu verändern, aber es hat nie funktioniert. Ich führte das gefühlt 100te Abschieds-Telefonat und ich entsorgte meine leeren Flaschen vom vorherigen Abend. Das war es. Ich war bereit.

Die ersten Wochen und Monate waren nicht leicht. Ich war quasi auf doppeltem Entzug und hatte schrecklichen Liebeskummer. Das Gute war jedoch, dass ich nun jeden Morgen fit war und schon von Anfang an eine viel bessere Mutter sein konnte. Ich war morgens meist gut drauf und habe früh etwas mit den Kindern gemacht. Wir hatten viel mehr Spaß zusammen und ich war so glücklich, dass ich mich nicht mehr zu Aktivitäten zwingen musste, da ich keinen Kater mehr hatte.

Die Wochenenden fielen mir jedoch oft schwer. Vor allem, wenn die Kinder nicht da waren. Ich saß alleine zuhause und dachte, alle haben Spaß und nehmen am Leben teil, nur ich nicht. Ich wollte erst wieder weggehen, wenn ich mich stabil genug fühlte, um nicht wieder zu trinken oder peinliche Anrufe zu tätigen. Und das dauerte. Ich suchte mir Unterstützung in einer Online-Gruppe. Dort konnte ich Tag und Nacht schreiben und mich mit Gleichgesinnten austauschen. Das tat mir total gut und hat mir in der ersten Zeit den Arsch gerettet. Zu sehen, dass ich nicht die Einzige bin, hat mich mega beruhigt.

Ich nahm mir Frauen zum Vorbild, die in einer ähnlichen Situation wie ich waren und die geschafft hatten mit dem Alkohol aufzuhören und nun ein tolles, ausgefülltes Leben führten. Ich machte eine ambulante Therapie und ging in Kur. Ich baute mich Schritt für Schritt wieder auf. Als nächstes kündigte ich meinen Job, in dem ich schon lange unglücklich war. Ich nutzte die Arbeitslosigkeit, um etwas für mich zu tun. In mich reinzuspüren, wieder eine Verbindung zu mir aufzunehmen, die ich vor so vielen Jahren verloren hatte. Ich erfüllte mir einen Kindheitstraum, lernte Motorradfahren und ein Hund zog bei uns ein. Das konnte ich mir vorher nie vorstellen. Mit Kater morgens früh raus wäre mein Alptraum gewesen. Ich startete einen Blog bei Insta und Facebook über Menschen in der Punkszene, die nüchtern leben und interviewte Leute zu diesem Thema (punkrockNüchtern). Ich machte mich auf meinen Weg. Weg von Dingen, die mir schaden, hin zu mir und einem freien Leben.

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